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Entspannt und ehrgeizig - ein Porträt vom Dortmund-Ems-Kanal

141130BraunWilke(Foto: Wolfgang Bernd, Text: Carsten Oberhagemann) Es ist acht Uhr morgens, auf dem Dortmund-Ems-Kanal rudert Anton Braun der Sonne entgegen, mittags steht außerdem noch eine Kraft-Einheit auf dem Plan und in seiner Freizeit lernt der BWL-Student für die Uni.

Früher wäre das für den heute 24-Jährigen Ruderer aus dem Team Deutschland-Achter unvorstellbar gewesen. „Ich habe lange nichts gemacht, war nicht motiviert. Aber meine Eltern haben gesagt, ich muss Sport machen. Also bin ich zum Berliner Ruder-Club“, erinnert sich Braun: „Immerhin war der Verein ganz in der Nähe und ich dachte: Rudern, das ist doch entspannt.“

Und so ging Braun in den ersten Jahren am Wannsee die Sache auch ganz entspannt an: Etwas paddeln hier, ein bisschen plantschen da. Ambitioniert war Braun da noch nicht, landete dementsprechend auf den letzten Rängen. Kurz bevor seine Ruderkarriere genau so entspannt enden sollte, wie sie angefangen hatte, packte Braun doch noch der Ehrgeiz: „Zum Abschluss wollte ich mich wenigstens für die Junioren-WM qualifizieren und habe heftig dafür geackert. Da habe ich im Kopf umgeschaltet und mich zusammengerissen.“ Die Arbeit zahlte sich aus, 2008 holte Braun erst den Deutschen U19-Meistertitel im Vierer, später dann den dritten Platz bei der Junioren-Weltmeisterschaft.

Auch heute ist Braun noch ein absolut tiefenentspannter Typ, auf dem Wasser zeigt der Sportsoldat jedoch eine andere Seite – dann denkt er nur noch an den Sieg. „Es reizt mich, besser als andere zu sein. Rudern war ein Glücksgriff für mich und hat mein Leben verändert.“ Das nächste Ziel sind die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro 2016, wo er am liebsten im Deutschland-Achter sitzen will. „Da gibt es die höchsten Siegchancen und ich will mehr, als einfach nur dabei sein.“ So ein Erlebnis hatte er schon 2012, als er in London im Zweier Siebter wurde. Im Jahr darauf feierte er im Deutschland-Achter den Europameister- und Vizeweltmeister-Titel, im diesem Jahr gewann er Bronze im Zweier bei der EM in Belgrad.

Für seinen Traum vom Olympia-Sieg mit dem Deutschland-Achter hat Braun seine Berliner Heimat verlassen und ist Anfang November nach Dortmund gezogen. Erst vorübergehend in das Leistungszentrum, dann ins gleiche Haus wie Ruder-Kollege Toni Seifert. An die Menschen und die Umgebung hat er sich gewöhnt, Berlin vermisst er trotzdem. In der Hauptstadt ist der 2,01 Meter große Hüne geboren und aufgewachsen, hat im Problembezirk Kreuzberg einiges erlebt, etwa bei einem Integrationsprojekt Basketball gespielt. „In Kreuzberg ging es teilweise richtig zur Sache“, blickt Braun zurück. Später zog er mit seinen Eltern ins ehr behütete Zehlendorf, baute an der bekannten Sportschule in Charlottenburg sein Abitur, mit den Leistungskursen Biologie und – natürlich – Sport.

Seine Heimat und seine Eltern zu verlassen, fiel Braun nicht leicht. „Ich war noch nie weg aus Berlin“, sagt er: „Ich kann die Städte bislang kaum vergleichen, weil ich zu 99 Prozent im Stützpunkt bin, aber ich denke, Berlin ist etwas schöner.“ Doch in Sachen Training bringt der Umzug enorme Vorteile. In extremen Zeiten war Braun zuletzt vier Tage die Woche in Dortmund, den Rest in Berlin. Da geht alleine durch die Fahrt schon jede Menge Zeit drauf. „Heute fahre ich zehn Minuten zum Training.“ Zeit spart Braun auch beim BWL-Studium an der Fernuni Oldenburg, wo er die Unterlagen zugeschickt bekommt oder an Online-Kursen teilnimmt. „Für mich als Sportler ist diese Lösung natürlich optimal“, sagt der Student im dritten Semester, den auch ein Auslandsaufenthalt reizen würde – aber selbstredend erst nach 2016.

Bis dahin hat Braun seine Ziele klar gesteckt, was danach passiert, steht noch in den Sternen. „Es kommt ganz auf das Rudern an, vielleicht mache ich weiter bis Tokio. Ich weiß es nicht, das muss sich entwickeln. Vielleicht probiere ich auch Mal andere Sportarten aus.“ Dann aber als Hobby, wieder ganz entspannt.